Sonntag, 30. Juni 2013

Rollt sie noch, oder passt sie schon?

Wie jede Mutter wünschte ich mir schon vor der Schwangerschaft ein gesundes Kind, das sich nach seinen individuellen Bedürfnissen gut entwickelt. Gerade das Verständnis und die Akzeptanz für eben diese Individualität spielten in meiner Vorstellung von mir als Mama eine große Rolle. Weiß ich doch aufgrund meiner Arbeit und der daraus resultierenden Erfahrung, dass jedes Kind unterschiedlich ist und die elterlichen Erwartungen nicht immer mit dem "Entwicklungsplan" des Kindes übereinstimmen. Auf gar keinen Fall wollte ich zu den Müttern gehören, die ihr Kind in den Spiel und Krabbelgruppen mit anderen akribisch vergleichen. In zahlreichen Entwicklungsgesprächen blickte ich in enttäuschte und manchmal sogar empörte Mama- und Papaaugen, wenn die Bildungsdokumentation des Kindes nicht ihren Vorstellungen entsprach. Ich fragte mich oft, wie dies aus Sicht des Kindes zu betrachten sei und kam zu dem Schluss, dass sich ein Menschenkind besonders gut entwickeln kann, wenn es von seinen Eltern so angenommen wird, wie es eben ist. Mit all seinen Stärken und Schwächen. Ich nahm mir also vor, geduldig und zufrieden zu sein mit dem, was mein Kind mit sich bringt. Vorausgesetzt die Entwicklung verläuft "gesund". Und der Plan ging auf. Das Rehlein wuchs, lernte immer wieder neue Dinge und war darüber hinaus wirklich zuckersüß. Dann fand ich plötzlich in meinem Emailfach eine Mail vom "Babyentwicklungskalender". Ich hatte mich in der Schwangerschaft bei einem Portal angemeldet, um die Entwicklung des Babys zu verfolgen und die monatlichen Infos kamen jetzt auch nach der Geburt. "Och!" dachte ich. Da kann man ja mal reinschauen. Ein kleiner Teil meines Gehirns schien mich schon zu warnen. "Denke dran, egal was da steht, es wird nicht hundertprozentig auf dein Kind zutreffen!" Kein Problem, alles nur Statistik. Um es mal ganz selbstreflexiv zu beschreiben, bei jeder Fähigkeit, die es laut Kalender bereits entwickelt haben sollte, überprüften meine Gedanken den Status Quo. Ich konnte quasi gar nicht anders. Ich fand es nicht schlimm, dass mein Kind den Kopf noch nicht so lange hoch halten konnte wie der Durchschnitt und auch in den darauffolgenden Monaten blieb ich gelassen. Und dies obwohl sich eines ziemlich schnell zeigte: Mein Kind gehört nicht zu den Motorikzündern, die die Fortbewegung als Nahziel haben. Erst mit sieben Monaten drehte sich das Rehlein das erste Mal vom Rücken auf den Bauch. Ich habe mein Kind immer viel beobachtet und mir fiel auf, dass es mit Vorliebe kleine Dinge genau untersucht. Und das kann man eben besser, wenn man auf dem Rücken liegt und das Objekt der Begierde direkt vor die Augen hält! Vor ein paar Tagen fing sie das erste Mal an auf dem Bauch vorwärts zu robben. Zugegeben, ich freute mich wie eine Schneekönigin. Darauf hatte ich schon lange gewartet. Im Pekipkurs war sie die Einzige, die den direkten Vorwärtsgang noch nicht entdeckt hatte. Ich erwischte mich also immer wieder dabei, wie ich so ein klitzkleines Seufzen in mir aufsteigen fühlte, wenn all die anderen Kinder an mir vorbei krabbelten und mein kleines Rehlein glucksend glückseelig vor mir auf dem Rücken lag. Und ich denke, dass das allen Mamas so geht. Man vergleicht unwillkührlich und das ist auch nicht das Problem. Was man aus den gewonnenen Erkenntnissen macht ist entscheidend! Mein Kind hat sich gegen die übliche Variante entschieden. Es wird allen Anschein nach auch nicht durchs Krabbeln, sondern über die Seite zum Sitzen kommen und das ist ok. Das Rehlein bewegt sich wie eine kleine Ballerina kugelnd durch die Wohnung. Seine langen Beine und die kleinen Arme tanzen dabei umher und jede Geste, jede Regung scheint geplant und gewollt. Ist das Ziel nah, wird gerobbt, ist es fern wird gerollt. Dabei ist sie ständig in Bewegung. In ihrer eigenen Art der Bewegung. Ob es das Schlafen oder Essen, die Sprach - oder kognitive Entwicklung ist, wir wollen alle nur das Beste für unser Kind. Dabei vergessen wir manchmal, dass wir selber auch nicht alles gleich gut oder gleich schnell wie andere können. Wer nun doch nach Literatur sucht, die Aufschluss über die kindliche Entwicklung gibt, kann ich nur "Kinderjahre" von Remo H. Lago empfehlen! Dort lernen wir "Die Individualität des Kindes als erzieherische Herausforderung" zu verstehen. Das oft ans Herz gelegte Buch "Oje, ich wachse" hat mich dagegen eher verrückt gemacht. Demnach befinden sich die meisten Kinder ja in einer Dauerphase :-) Für mich war es immer sinnvoll mir mit Hilfe von Literatur Sicherheit zu beschaffen. Doch nun habe ich die Fähigkeit der Beobachtung neu für mich entdeckt. Wenn ich all die Erwartungen und Vorstellungen außenvor lasse und mich auf die pure Beobachtung meines Kindes einlasse, kann ich so viel über seine Entwicklung erfahren. Und wenn ich es genau betrachte, stelle ich immer wieder fest: Dieses Kind passt zu mir, wie die Faust auf`s Auge! Es passt nicht nur zu mir, es passt mir auch so wie es ist.

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