Samstag, 21. März 2015

Die passenden Worte

Ich habe vor kurzem ein Seminar für Tageseltern gegeben. Dabei sind wir auf das Thema "Beißen" gekommen. Wir haben darüber gesprochen, wie man im Allgemeinen mit Aggressionen umgeht.
Später abends habe ich darüber nachgedacht und festgestellt, dass das Rehlein bis jetzt noch nie etwas wie Strafe erlebt hat. Wir konnten es immer anders lösen. Im schlimmsten Falle, hat das Rehlein erlebt, dass wir nicht jeden seiner Wünsche erfüllen, dass wir nicht alles wollen, was es will.Ok, das Rehlein beißt auch keine anderen Kinder, haut und schubst nicht...zumindestens konnte es seine Konflikte bis jetzt anders lösen.Wenn das eigene Kind betroffen ist, reagiert man eh emotional. Ich kann nur von meiner Arbeit berichten und da fühle ich natürlich auch sehr mit. Ich fühle die Schmerzen, wenn sich ein Kind das Knie aufschlägt, weil es geschubst wurde, ich bin auch mal wütend, wenn ein Kind bewusst ein anderes verletzt. Doch ich reagiere kontrolliert und jede meiner Handlungen und Worte geschehen bewusst. Marte Meo spielt in meinem Leben eine große Rolle und besonders in solchen Konfliktsituationen gibt mir diese Methode den nötigen roten Faden. Nehmen wir mal an der Paul haut der Lisa mit der Schüppe auf den Kopf. Ich beachte Lisa als Erstes. Damit schließe ich aus, dass Paul durch sein Verhalten Aufmerksamkeit bekommt. Ich mache einen Anschluss an Lisas Gefühl :" Oh je, das tut dir weh, jetzt weinst du! Du weinst, weil Paul die die Schüppe auf den Kopf gehauen hat." Dann hole ich Paul dazu. Ich gebe ihm die Möglichkeit sein Verhalten zu reflektieren. "Paul, schau die Lisa weint. Du hast sie mit der Schüppe gehauen, weil sie deinen Eimer wollte. Du kannst sagen, nein Lisa! Was können wir tun, um Lisa zu trösten?" Es ist toll, wenn Paul dann von alleine eine Idee hat (pusten, Taschentuch holen etc) falls nicht, helfe ich und schlage was vor. So kann auch er mit einem guten Gefühl aus der Sache raus und Lisa erfährt den nötigen Trost.
Ich kann schon verstehen, wenn Mütter, Väter und auch Pädagogen Kinder auf die Bank setzen, weil sie selber nicht weiter wissen. Es ist das Gefühl von Ohnmacht, dass uns solche Maßnahmen ergreifen lässt. Es bringt nur Nichts. Ich habe noch kein Kind erlebt, welches durchs Wegsetzen sein Verhalten ändert. Es fehlt dann an den wichtigen Informationen über die Gefühle des anderen. Am Ende bleibt das Gefühl "ich kriege es nicht hin, ich haue andere, ich genüge nicht aus, um hier mit anderen Spaß zu haben". Solche Kinder entwickeln schnell ein miserables Selbstbewusstsein. Keine gute Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung! Durch Marte Meo aber geht das Kind mit der Info aus der Situation, dass es helfen und trösten kann, dass man sich verzeihen kann.Und es lernt, welche Gefühle beim anderen durch sein Verhalten entstehen. So kann Paul beim nächsten mal sein Verhalten besser reflektieren.
Einige von euch finden dies unnatürlich. Es kommt euch vielleicht gestellt und unrealistisch vor.
Ich kann nur sagen, dass es dir den A.... rettet, wenn du mit mehreren Kindern alleine bist. Es rettet dich, wenn ein fremdes Kind dein eigenes haut, denn die anderen Eltern sehen, dass du kompetent damit umgehst und fühlen sich nicht als schlechte Mutter oder Vater (was sonst zwangsläufig geschieht, wenn keiner so richtig weiß, wie er mit der Situation umgehen soll. "Sowas macht man nicht etc", peinliches Schweigen, man geht sich aus dem Weg, schämt sich für sein Kind). Man hat nicht immer die nötige Zeit dies so kleinschrittig zu besprechen (obwohl sowas in der Regel nur ca 5 min dauert). Mal lässt der Entwicklungsstand des Kindes so ein Gespräch gar nicht zu. Und wenn es zum dritten Mal kurz hintereinander passiert, muss ich mit Paul besprechen, dass er etwas Anderes spielen soll oder rein gehen muss, weil er es im Moment nicht schafft ohne hauen.
Und doch geschieht dies alles mit Respekt. Wenn eines eurer Kinder also demnächst ein Anderes verletzt, kümmert euch erst um das "Opfer" und benennt die Gefühle beider Kinder. Glaubt mir, ihr fühlt euch danach tausendmal besser, als wenn ihr rumschreit und Strafen verhängt. Ich habe keine Angst vor Konflikten. Ich fand das Kind aus der Spielgruppe, welches es auf mein Rehlein abgesehen hatte zwar ziemlich blöd, aber der Gedanke, dass es anscheinend noch keine geeigneten Modelle entwickelt hatte, lies mich Mitleid und keinen Hass empfinden. Und vor allem tat mir die Mama leid, die voller Panik ihr Kind beobachtete und einfach nicht wusste, was sie tun soll. Ich habe ihr damals keine Hilfe angeboten, weil ich mich nicht aufdrängen wollte und weil ich dachte, sie fände das unverschämt. Doch heute mache ich es und finde auch meistens die passenden Worte.