Sonntag, 22. Februar 2015

Die Sache mit dem lieben Gott

Als unsere Oma vor ein paar Wochen starb, war hier alles etwas anders. Wir Großen waren sehr traurig und obwohl wir vorwiegend abends, wenn das Rehlein im Bett war, weinten, kullerten auch in ihrem Beisein Tränen. Es ist nicht schlimm, wenn Kinder ihre Eltern weinen sehen. Das ist weitaus weniger verstörend, als wenn die Erwachsenen ins Bad verschwinden und auf die Frage :"Mama, Papa, was ist denn?" mit "Nix, alles ist gut!" antworten. Damit signalisiert man dem Kind nur, dass man seine Gefühle nicht zeigen und besser damit allein sein sollte. Auch Kinder, die noch nicht sprechen können, fühlen, wenn es den Eltern nicht so gut geht. So sah mich auch das Rehlein mit gerunzelter Stirn an, als ich etwas weinen musste. Der Platzhirsch hatte gerade ein paar Dinge von der Oma aus der Wohnung mitgebracht und die ganze Tasche roch nach ihr. Ich konnte den Kinderblick quasi auf meinem Rücken spüren (ich hatte mich dann doch weggedreht). Daraufhin gab es folgendes Gespräch:
Rehlein: Mama, was hast du?
Ich: ich bin ein bisschen traurig, weil die Oma M. gestorben ist.
R: Wo ist die jetzt?
I: ich glaube im Himmel
R: Was macht die da?
I: sie schaut auf uns runter und passt auf uns auf
R: Dann kommt die wieder!
I: ( Ich überlege, wie ich das jetzt einer 2 1/2 jährigen erkläre) Weißt du, wenn jemand tot ist, kann man denjenigen nicht mehr sehen.
R: Wir fahren da bald hin und essen Pommes
I: Wir können die Oma M. nicht mehr treffen Schatz. Aber wir können Pommes essen fahren und ganz doll an sie denken
R: Ich will auch Pommes!
So oder so ähnlich lief es und dann kam eine ganze Zeit nichts mehr vom Rehlein. Der Alltag hat uns langsam
wieder. Das Rehlein geht in einen katholischen Kindergarten und wir besuchen hin und wieder den Kleinkindergottesdienst. Wir beten abends ein kurzes Gebet, indem ich danke sage für all die schönen Dinge in unserem Leben. Im Anschluss erzählt das Rehlein dann noch etwas. Lange Zeit wollte es gar nicht oder das Erzähle hatte mit anderen Dingen zutun, doch gestern abend wurde es dann konkret. Beim Abendessen streichelte es über seinen Bauch und sagte :
R: Mama, weißt du, der liebe Gott ist in meinem Bauch.
I: Ach echt? was macht der denn da drin
R: Es geht mir gut in meinem Bauch, dann fühl ich den!

Weil man das, was "Gott" oder "Glauben" ist, nicht sehen und auch nicht anfassen kann, habe ich dem Rehlein versucht zu erklären, dass man ganz viel fühlen kann. Und wenn es mir gut geht und ich ein gutes Gefühl im Bauch habe, kann ich den "lieben Gott" spüren. Lustig, dass ich dann kurze Zeit später das Buch "Gott ist wie Himbeereis" gefunden habe. Es beschreibt sehr schön, wie sich Kinder im Kindergartenalter mit der Frage auseinandersetzen könnn.
Ich möchte erwähnen, dass ich die Bezeichnung "lieber" Gott schon ein bischen ungünstig finde. Das mit dem "lieb" führt oft zu einer meiner Lieblingsdiskussionen mit anderen Eltern. Was heißt denn bitte "lieb"? "Sei schön lieb, warst du denn auch lieb" etc. Im grunde vermitteln wir den Kindern dadurch die Info: "sei schön angepasst, mach das, was andere von dir wollen". Lieb ist soooo ein großer Begriff für Kinder, wenig konkret und nicht fassbar. Egal, das Rehlein wird den "lieben Gott" schon überstehen. Bei mir hieß er eben so und jetzt heißt er bei uns auch so. Zu dem Thema " Glaubensätze" will ich eh bald mal schreiben.
Ich war mir allerding schon immer sicher, dass es für Kinder von unschätzbarem großem Wert ist, wenn sie sich immer und überall geborgen fühlen! Etwas, was wir Erwachsene übrigens genauso brauchen - dieses Gefühl, ein "Gottvertrauen". Ob man dabei an Gott im Sinne der Kirche, an eine höhere Energie oder was anderes glaubt ist völlig egal.
Kinder haben ein Recht auf Wunder, ein Recht aufs Philosophieren! Gemeinsam mit uns überlegen, nachdenken und forschen.
Wenn meine Tochter einen toten Marienkäfer findet, ihn liebevoll in den nächsten Bluementopf legt und sich vorstellt wie er jetzt im Marienkäferhimmel rumfliegt, hat sie auf ihre Weise eine Antwort gefunden. Wir haben nie gesagt, wie der "Himmel" aussieht, was da genau geschieht. Ich muss mir nichts ausdenken, um ihr dies zu erklären. Falls sie das mal fragt, werde ich ähnlich antworten, wie ich dies bei den Kindern im Job tue. Da kommt schon mal die Frage auf, ob es den Weihnachtsmann oder den Osterhasen gibt.
Und dann sage ich: "Hmmm, ich muss mal überlegen...was meinst denn du"?
Und schon überlegen wir gemeinsam, ohne dass es Vorgaben und Wissensübermittlungen gibt.
Lasst den Kindern ihre eigenen Wunder - auch losgelöst von Religion!